Künstlerin Angelika Thon - Ein Interview

Künstler:innen im Gespräch
Das Gespräch mit Anne Neuhauser führte Catia Corradini am 26.05.2025

02.06.2025
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Liebe Angelika, ich freue mich sehr, dass wir dich für ein Interview für Styrian Summer Art gewinnen konnten! Denn du wirst vom 25. bis 27. Juli einen Land Art Workshop in Pöllau leiten und ich darf sagen, inmitten einer besonders schönen Landschaft, die wunderbare Voraussetzungen für Inspiration bietet.
Du bist eine besonders vielseitige Künstlerin, aus der breiten Palette deines Schaffens lese ich heraus, dass dich besonders die Beschäftigung mit Raum, die Bezugnahme dazu - räumliche Gestaltung und was man daraus ableiten kann, auszeichnet. Deshalb bin ich gespannt auf deine Antwort - woran arbeitest Du aktuell?

an.thon: "Meine Themen sind verbunden mit der Erhaltung der Natur, was, den Land-Art-Workshop betreffend, ideal ist. An Projekten zum Thema Umwelt- u. Klimaschutz arbeiten zurzeit viele Künstler:innen. Ein mehrjähriges Projekt von mir habe ich mit "betonix" betitelt. Da ging es darum noch rechtzeitig Erde von den Grünflächen zu holen, bevor sie versiegelt wurden. Diese Erden wurden in Blumentöpfen gesammelt und archivarisch beschriftet. Ausstellungsbesucher:innen hatten die Möglichkeit noch einmal diese verlorenen Erden wie ein Kleinkind zu halten und den Moment fotografisch einfangen zu lassen. Es war für mich überraschend, wie berührend es Menschen empfanden, einen weißen Mantel anzuziehen und dann diese Haltung mit der Erde einzunehmen, auch, dass das so viele machen wollten. Daraus entstand eine Fotoportrait-Serie "die Erde halten", die ich noch weiterhin ausstellen werde. Der Kulturverein KULM in Pischelsdorf/ Oststeiermark hat mich eingeladen, an der dortigen großen Ausstellung zum Thema "Utopia, wie weiter?" (Eröffnung am 28.Juni 2025) teilzunehmen. Dort werde ich das Projekt noch einmal in einer Installation und Performance vorstellen.  Der Sprung zur Land-Art ist da nicht groß – es geht um den Raum, der uns allen gehört und insofern ist es auch wichtig, die eigenen Sinne dafür zu schärfen."

SSA: Du arbeitest häufig projektbezogen. Worin liegt für dich der besondere Reiz daran?

an.thon: "Das Besondere, wenn es um die künstlerische Arbeit an einem Projekt geht, ist eine emotionale Betroffenheit, ein fächerübergreifendes Arbeiten und dass ich je nach Projekt mit unterschiedlichen Personen und Material arbeiten kann. Jeder Projektinhalt verlangt nach unterschiedlichen Medien und Formaten und insofern ist es für mich interessant unterschiedliche Techniken anzuwenden und dadurch in Bewegung zu bleiben.

SSA: Ich vermute, du hast diese Frage bereits beantwortet: Gibt es ein Projekt oder eine Arbeit, die einen besonders starken Nachhall bei dir erzeugt hat, wo du das Gefühl hast, bzw. ein Thema, dass du wieder aufgreifen möchtest?

an.thon: "Das war eben das Projekt "betonix", nach wie vor ist es das Schützen der Natur, weil es den Planet Erde nur einmal gibt."

SSA: Inwieweit spielen die ursprünglichen Land-Art Ideen noch eine Rolle für dich? Ich meine da besonders die Ansätze der US-amerikanischen Künstler der 1960er, die ihre Kunst als Protest gegen die Kunstmarkt-Maschinerie sahen und besonders die Vergänglichkeit ihrer Werke betonten?

an.thon: "Auf jeden Fall! Andy Goldsworthy ist das beste Vorbild für mich. Ich kann mich gar nicht sattsehen an seinen Land-Art-Arbeiten. Es gibt kein Material in dem Sinn, das verwertbar wäre für den Kunstmarkt, außer die Dokumentation. Die Intensität, die lange Arbeit an einem Ort ist sehr spürbar und faszinierend. Auch das Ephemere ist deutlich, ganz "schnelle Geschichten", die lange vorbereitet werden müssen aber dann für einen Moment eine starke Wirkung erzielen."

SSA: Wen von den "alten" Land-Art Künstlern und wen von den neueren kannst du uns empfehlen?

an.thon: "Nancy Holt ist eine Künstlerin, die mich inspiriert hat. Ich habe mich bei meiner aktuellen Reise nach Holland dort umgesehen, ob es eine aktuelle Künstlerin in diesem Bereich gibt – aber es sind nur Männer! Ich hätte gerne eine Kollegin besprochen, aber viele sagen sogar, die Land Art hätte ihren Zenit bereits überschritten. Meiner Beobachtung nach ist Land-Art gerade wieder im Kommen. Wir befinden uns in einer Phase, in der es sehr viele Vermischungen gibt: sich in der Natur aufhalten, pädagogische Wald-Projekte - aber da ist eben Vieles, was sich von der Idee, Kunst zu schaffen, wieder entfernt hat. Eine Ursache kann sein, dass sich Objekte der Land-Art schwer in einen Ausstellungsraum transferieren lassen, wobei es durchaus Künstler gibt, die damit arbeiten oder eine Verbindung zwischen Gebäude und Landschaft herstellen, wie zum Beispiel die britische Künstlerin Laura Ellen Bacon. Tendenzen etwa in Richtung "die Lebenswerte Stadt" sind wieder deutlich zu erkennen.

SSA: Was macht, aus deiner persönlichen Sicht, Land-Art aus und welche Bedeutung hat sie für dich?

an.thon: "Ich habe mich immer schon unglaublich gerne in der Natur aufgehalten, am liebsten den ganzen Tag. Ich bin auf den Bäumen gesessen und mir war und ist nie langweilig. Schwierig wird es, wenn ich ein Gebäude betrete und von vornherein weiß, dass ich mich den ganzen Tag darin aufhalten muss (die Arbeit am Theater war so eine schwierige Situation, im Finsteren, in fensterlosen Räumen/ wie unter Tag), das ist das absolute Gegenteil von Land-Art. Tagsüber habe ich aber wiederum Plätze im Wald gesucht, wo ich übernachten konnte, um auch die Dunkelheit erleben zu können, Geräusche zu sortieren, das veränderte Licht wahrzunehmen – das erlebe ich als öffnend. Alles, was fließendes Gewässer ist, hat auch immer eine große Bedeutung für mich besessen, wann immer ich in einer fremden Stadt war, habe ich nach einem Fluss gefragt, um ihn aufzusuchen und habe mich immer an diesen Gewässern orientiert und versucht mich mit deren Hilfe zurecht zu finden. Meine jüngste Reise führte mich nach Holland, mit den vielen Wasserwegen. Das Licht, die Veränderungen, welche mit dem Wasser einhergehen – ich liebe Land-Art-Projekte am Wasser: Spiegelungen, Bewegung, das Zurückziehen und Wiederkehren mit Ebbe und Flut sind Basis für meine temporären oder ephemeren Arbeiten. Mein jüngstes Projekt befasste sich mit einer Besonderheit: In den Niederlanden entlang der Waal gibt es wild lebende Bisonherden, die sich Mulden schaffen, in die sie sich dann zum Schlafen hineinlegen. Eine dieser Mulden, die man dort überall findet, habe ich mit Steinen und Flussmuscheln ausgekleidet. Spannend war, zu sehen, ob die Bisons mich an ihren Mulden arbeiten lassen würden. Mein Rucksack hat sie jedenfalls sehr interessiert. Normalerweise dokumentiere ich auch das Verschwinden meiner Arbeit. Diesmal habe ich eine dort lebende Freundin damit beauftragt und bin neugierig wie sich das entwickeln wird.

SSA: Welche Vision hast du von deinem Land-Art Workshop im Juli in Pöllau für dich und deine Teilnehmer: innen?

an.thon: "Ich freue mich auf eine sehr intensive Zeit in Pöllau! Da wir in den 3 Tagen, die wir für das Land-Art-Projekt zur Verfügung haben, viel vorhaben und in mehreren Phasen an die Arbeit herangehen werden (Umgebung wahrnehmen – Ideen entwickeln – Naturmaterialien sammeln – Plätze finden, an denen die einzelnen Projektideen verwirklicht werden können), ist es mir wichtig zu betonen, dass wir trotzdem keinen Zeitdruck zu befürchten haben. Denn ein Land-Art-Projekt ist eigentlich nie wirklich fertig. Mit dem Wetter muss man spielen, es mitdenken und sich ausrüsten.

Ich möchte jede/ jeden dort abholen, wo sie und er sich gerade befindet. Anfänger:innen sind herzlich willkommen und auch Jugendliche können an diesem Land Art-Workshop teilnehmen."

Vielen Dank, liebe Angelika Thon/an.thon, für die Einblicke in deine Arbeit und den interessanten und abwechslungsreichen Spaziergang durch die Land-Art. 
Auf Wiedersehen in Pöllau am 25. - 27. Juli 

Landart - temporäre Landschaftskunst mit Angelika Thon  Info und Anmeldung

Foto: Anne Neuhauser